LANDMARK VERTEILERCITY
Der Verteilerkreis Favoriten ist Teil einer Wiener Stadtautobahn mit dem Namen „Süd-Ost-Tangente“, die den zweifelhaften Ruf besitzt, die meistbefahrene Straße Österreichs zu sein. Mit der Verlängerung der U-Bahnlinie U1 bis zum Thermalbad in Oberlaa ändern sich die Verhältnisse an diesem Ort radikal. Aus einer Verkehrswüste, an der sich ein paar Buslinien kreuzen, könnte ein urbaner Ort mit dichter Bebauung werden. Beschränkt wird dieses Potential durch zahlreiche Einbauten, die hier übereinanderliegen, insbesondere der Tunnel der Autobahn und die darunterliegenden U-Bahnröhren. Der Grundgedanke des Projekts von Lorenzateliers ist die Weiterführung der aus dem Stadtzentrum kommenden Favoritenstraße über den Verteilerkreis hinaus. Die Arbeit des Städtebauers gleicht hier der Arbeit des Unfallchirurgen: Sehnen und Nerven zusammennähen, Knochen stabilisieren. Aus der gebrochenen Stadt, die sich völlig den Interessen des Verkehrs unterordnen musste, könnte so wieder ein Stadtraum entstehen. Der 6900 m² große Platz ist als „Shared Space“ konzipiert, aus dem eine breite Rampe aufsteigt, die hoch über der Fahrbahn des Verteilerkreises Richtung Austria-Stadion führt. Als Landmark schlägt das Projekt ein einzelnes Hochhaus vor, das diesen neuralgischen Punkt der Stadt weithin sichtbar macht. Wenn es einen Platz in Wien gibt, an dem ein solches Landmark Berechtigung hätte, dann wäre es hier. Ein Hochhauscluster wie am Wienerberg wird hier nicht entstehen, aber es wäre eine zur dortigen Situation passende städtebauliche Geste, die den Südrand der Stadt artikuliert.
Christian Kühn